Als Nina Brüggemann 15 Jahre alt war, stand sie vor einer kniffligen Entscheidung. Jahrelang hatte sie parallel drei Sportarten ausgeübt: Mit dem Fußball hatte sie mit sechs Jahren begonnen und sich als teilweise einziges Mädchen in ihren Juniorenteams durchgesetzt, später waren noch die Leichtathletik und Tischtennis dazugekommen. Und auch dort lief es: In der Leichtathletik hatte Brügemann an Norddeutschen Meisterschaften teilgenommen, beim Tischtennis war ihr sogar die Krönung zur Norddeutschen Meisterin gelungen.
„Zeitlich wurde es immer schwieriger, alles unter einen Hut zu bekommen“, erinnert sich die heute 29-Jährige, die sich letztlich für den Teamsport entschied: Fußball. „Das war schon immer meine größte Leidenschaft – dazu macht es einfach mehr Spaß, im Team anzutreten“, erklärt Brüggemann ihre damalige Entscheidung, die sie sicherlich nicht bereut hat: Im Fußball reifte sie zur Bundesliga-Spielerin – und blickt heute auf 144 Einsätze in der deutschen Eliteklasse zurück.
Die ersten dieser Einsätze absolvierte die gebürtige Pinnebergerin für den Hamburger SV: Nachdem „Brüggi“, wie sie von ihren Mitspielerinnen genannt wird, bis zum Alter von 16 Jahren ausschließlich in Junioren-Teams gespielt hatte, kam 2009 der erste Kontakt zum HSV zustande: „Die damalige Trainerin der 2. Frauen, Claudia von Lanken, hat mich zum Probetraining eingeladen“, erzählt die Abwehrspielerin. „Da ist dann Achim Feifel vorbeigelaufen, der damals die 1. Frauen trainiert hat.“ Feifel gefiel, was er sah, und sagte: „Die will ich in meinem Team haben.“ Gesagt, getan – Brüggemann wechselte als B-Juniorin zur Bundesliga-Mannschaft des HSV.
Der Start lief perfekt: Bei ihrem Debüt gegen die SGS Essen im September 2009 lag der HSV bereits 0:2 zurück, Brüggemann wurde im Laufe der ersten Halbzeit eingewechselt. Ihr Team konnte zum 2:2 ausgleichen, und dann kam „Brüggis“ Moment: Sie erzielte das 3:2 – der Siegtreffer bei ihrem ersten Auftritt in der Bundesliga. „Das war natürlich ein cooler Moment“, erinnert sich Brüggemann, „dafür haben sich die vielen Jahre voller Training gelohnt“. Die Abwehrspielerin fand sich schnell im Team zurecht und rutschte recht bald in die Startformation, parallel dazu absolvierte sie ihr Abitur am Johannes-Brahms-Gymnasium in Pinneberg.
Nach drei Jahren beim HSV suchte Brüggemann eine neue Herausforderung und ging für ein Jahr in die USA, wo sie für das Collegeteam der Arizona State University, die Sun Devils, auflief. „Ich wollte schon immer Erfahrungen im Ausland sammeln“, blickt Brüggemann zurück, die mit der Hilfe einer Organisation in die USA vermittelt wurde. „Drei- bis vierhundert Teams haben mich angeschrieben“, erzählt die Pinnebergerin, die sich mit einem Promotion-Video beworben hatte. Die Wahl fiel schließlich auf Arizona – und ihr Plan ging auf: „Ich bin viel gereist und habe einige Eindrücke vom Land sammeln können“, sagt Brüggemann, „dazu sind wir sogar bis in die Playoffs gekommen.“
Die Kurse am College wählte sie mit dem Schwerpunkt Pädagogik, denn schon damals war Brüggemann klar, dass sie Lehrerin werden möchte. Zurück in Deutschland verfolge sie dieses Ziel weiter: Mit dem Wechsel zum BV Cloppenburg kam Brüggemann zurück in die Bundesliga, dazu begann sie in Oldenburg ihr Lehramtstudium. 2015 wechselte sie nach Essen, wo sie schließlich auch das Studium beendete – eine Zeit, die Brüggemann auch heute noch gut in Erinnerung geblieben ist: „Ich bin um 6 Uhr aufgestanden und kam um 21 Uhr vom Training nach Hause – und dann musste ich noch die Kurse nachbereiten und mir Essen kochen“, erzählt sie. „Da musste man immer gut organisiert sein.“
Auch auf dem Platz gab und gibt sie dem Spiel ihrer Teams eine gewisse Struktur, mit der SGS Essen erreichte Brüggemann sogar das DFB-Pokal-Finale – am Ende gab es gegen den VfL Wolfsburg jedoch eine bittere Niederlage im Elfmeterschießen. Anschließend wechselte die Pinnebergerin für zwei Jahre zu Bayer Leverkusen, bevor sie in diesem Jahr nach Hamburg zurückkehrte. „Ich bin sehr froh, wieder in meiner Heimat zu sein“, sagt Brüggemann, die in den vergangenen zehn Jahren wenig Zeit hatte, Familie und Freunde zu sehen. „Natürlich habe ich in der Zwischenzeit auch in Nordrhein-Westfalen Freundschaften geknüpft, aber der Kontakt in die Heimat ist nie abgerissen.“
Beim HSV möchte die Abwehrspielerin dabei helfen, mittelfristig in den Bundesliga-Fußball zurückzukehren. Die Infrastruktur dafür ist gegeben: „Hamburg ist ein super Standort mit vielen Möglichkeiten“, sagt Brüggemann. In enger Zusammenarbeit mit dem Nachwuchsleistungszentrum werden die Spielerinnen vor allem in den Bereichen Athletik und Physiotherapie eng betreut, dazu ist der Verein auch in der Videoanalyse und Sportpsychologie gut aufgestellt. „Wir haben gute Trainingsbedingungen inklusive der Plätze, engagierter Trainer und entsprechenden Materialien, dazu hilft die Möglichkeit der Kraftraumnutzung enorm“, ergänzt sie.
Und besonders in einem Bereich habe sich der Verein im Vergleich zu ihren ersten Auftritten im HSV-Trikot enorm entwickelt: „Die Fankultur ist enorm“, sagt Brüggemann, und verweist etwa auf das LOTTO-Pokalfinale der vergangenen Saison, als rund 1.800 Fans das Team unterstützten. „Das ist einzigartig“, meint die Abwehrspielerin. „Der HSV ist einfach ein cooler Verein und in Hamburg der Mittelpunkt.“ Auch für Brüggemann ist die Hansestadt nun wieder der Lebensmittelpunkt, ihr Ziel ist klar: „Ich möchte mit dem HSV wieder dort spielen, wo er hingehört – in die Bundesliga.“