Catharina, die HSV-Frauen stehen nach der Hinrunde auf Platz eins der 2. Bundesliga – und das, obwohl das Team als Aufsteiger in die Saison gestartet ist. Wie fällt dein Fazit nach den ersten 13 Liga-Spielen aus?
Catharina Schimpf: Wir haben in der Hinrunde überwiegend sehr gute Leistungen gezeigt und können positiv auf die bisherige Saison blicken. Zum einen aufgrund der Ergebnisse, zum anderen aber auch wegen der Entwicklung des Teams. Wir haben direkt zu Beginn der Saison verschiedene Extreme erlebt und viel daraus gelernt: Am ersten Spieltag haben wir gegen Mönchengladbach nach einer 2:0-Führung in letzter Sekunde noch den Ausgleich bekommen und mit der schweren Verletzung von Carla Morich einen herben Verlust verkraften müssen, eine Woche später haben wir in Frankfurt nach Rückstand noch einen klaren Sieg eingefahren. Wiederum nur eine Woche später haben wir gegen Ingolstadt über 90 Minuten Angriff um Angriff gestartet und letztlich doch mit 0:1 verloren. Diese Erlebnisse waren sehr lehrreich, denn es war im Nachhinein beeindruckend zu sehen, wie das Team mit den Niederschlägen mental umgegangen ist. Aber klar ist auch: Wir werden uns auf dem bislang Geleisteten nicht ausruhen.
Auch die U23 ist als Aufsteiger in die Saison gestartet und steht nach der Hinrunde auf Platz vier der Regionalliga, die U17 steht in ihrer Staffel der B-Juniorinnen-Bundesliga sogar auf Platz zwei. Wie siehst du die Entwicklung im Frauen- und Mädchenbereich insgesamt?
Die U23 entwickelt sich sehr positiv. Wir haben im Vergleich zu anderen Teams in der Regionalliga ein sehr junges Team, das super mithält und von der guten Nachwuchsarbeit der vergangenen Jahre profitiert. In der U17 haben wir vier Spielerinnen aus dem Jahrgang 2009, die noch in der C-Jugend spielen könnten, und auch viele, die im Jahr 2008 geboren sind. Das sind sehr starke Jahrgänge mit vielen interessanten Spielerinnen, an denen wir noch viel Freude haben werden. In der U15 und U13 konnten wir unser Nachwuchskonzept weiter schärfen und spielen vermehrt in Junioren-Ligen. Wir sind damit sehr erfolgreich und können neben den guten Ergebnissen auch große Fortschritte in physischer und spielerischer Hinsicht beobachten. Gegen Jungs zu spielen, bringt unsere Spielerinnen enorm weiter, um den nächsten Schritt in Richtung U17 zu gehen.
Kommen wir zurück zu den HSV-Frauen. Wie schätzt du das Niveau in der 2. Bundesliga generell ein?
Es war schon vor Beginn der Saison klar, dass die 2. Bundesliga eine sehr enge Liga ist, in der jeder jeden besiegen kann. Die Liga lebt vor allem von einer äußerst physischen Note. Wir haben ein sehr spielstarkes und technisch begabtes Team, kommen aber auch auffallend gut mit dieser hohen Physis zurecht. Es war nicht unbedingt zu erwarten, dass wir da von Beginn an so gut mithalten können.
Welche Momente aus der Hinrunde sind dir besonders in Erinnerung geblieben?
Natürlich war das DFB-Pokal-Spiel im Millerntorstadion vor knapp 20.000 Fans ein ganz besonderes Highlight. Es war sehr beeindruckend zu sehen, wie unser Team damit umgegangen ist, im Stadion des Stadtkonkurrenten aufzulaufen, die Pfiffe der gegnerischen Fans als Motivation anzunehmen und dann 7:1 zu gewinnen. Dieses Spiel hat uns noch einmal eine große Aufmerksamkeit beschert und die Sichtbarkeit von Fußballerinnen erhöht – mittlerweile ist es üblich, dass das Team rund um unsere Spiele zahlreichen Fans mit Autogrammen und Selfies eine Freude bereiten kann. Auch das Liga-Spiel gegen Meppen ist mir stark in Erinnerung geblieben: Mit 0:3 in die Halbzeit zu gehen, obwohl das den Spielverlauf nicht wiedergegeben hat, und dann noch mit 4:3 zu gewinnen – so etwas habe ich noch nie erlebt. Diese Partie hat uns gezeigt, dass wir viel erreichen können, wenn wir die nötige Präzision und Intensität an den Tag legen.
Was hat sich seit dem Aufstieg abseits des Platzes getan?
Viele infrastrukturelle Meilensteine haben wir bereits in den vergangenen Jahren gesetzt: Seien es die guten Platzbedingungen, der enge Austausch mit dem Nachwuchsleistungszentrum oder unsere Fortschritte in Bereichen wie Krafttraining, Physiotherapie und Videoanalyse – das alles sind Punkte, die mittlerweile als fast selbstverständlich erscheinen, in der 2. Frauen-Bundesliga aber nicht der Standard sind. Was sich in den vergangenen Monaten aber besonders professionalisiert hat, ist die Mentalität der Spielerinnen. Wir haben unsere interne Feedback-Kultur weiter verfeinert und erkennen, dass die Spielerinnen ihre Aufgaben mit einer enormen Schärfe und einem hohen Anspruch an sich selbst angehen. Dazu ist die öffentliche Wahrnehmung weiter gewachsen und auch im Verein spüren wir einen enormen Rückhalt, der uns viele Dinge ermöglicht – ein gutes Beispiel: Als Ende 2023 der starke Schneefall einsetzte und die Trainingsplätze in Norderstedt nicht bespielbar waren, konnten wir auf dem HSV-Campus trainieren und so als einer der wenigen Zweitligisten trotz herausfordernder Wetterbedingungen unsere Einheiten gewohnt durchführen. Aktuell wird außerdem unser Frauentrakt mit Kabinen und Aufenthaltsraum saniert, der eine Heimat für die HSV-Frauen, die U23 und U17 bietet und als Rückzugsort enorm wertvoll ist.
In der Hinrunde habt ihr die meisten Spiele auf der Paul Hauenschild Sportanlage in Norderstedt absolviert, aber auch einige Partien im Sportpark Eimsbüttel bestritten. Wo tragt ihr eure Spiele in der Rückrunde aus?
Norderstedt ist unsere sportliche Heimat, die Bedingungen dort sind sehr gut. Wir haben auf der Paul Hauenschild Sportanlage einen sehr guten Rasenplatz, dürfen allerdings leider nur beschränkt Fans zulassen. In Eimsbüttel können wir vor deutlich mehr Zuschauenden und dementsprechend noch besserer Atmosphäre spielen. Wir sind mit der Stadt im Austausch, um auch in der Rückrunde wieder einige Partien in Eimsbüttel austragen zu können. Trotzdem ist und bleibt Norderstedt unsere Zweitliga-Heimspielstätte.
Viele HSV-Fans wünschen sich auch mal ein Spiel der HSV-Frauen im Volksparkstadion.
Es gibt da natürlich Überlegungen. Allerdings hängt das von sehr vielen Faktoren ab. Am Ende muss so eine Entscheidung auf allen Ebenen Sinn ergeben, da sind wir intern im ständigen Austausch
Kommen wir zum Abschluss nochmal zum Sportlichen: Wie siehst du den Kader für die Rückrunde aufgestellt und wie geht ihr die verbleibenden 13 Liga-Spiele an?
Wir sind sehr zufrieden mit unserem Kader. Mit Almudena Sierra konnten wir im Sommer erneut eine Spielerin aus unserem eigenen Nachwuchs in das Team integrieren, dazu haben wir weitere junge und entwicklungsfähige Akteurinnen geholt. Es ist uns dadurch gelungen, auch die schmerzhaften Ausfälle von Carla Morich und Jobina Lahr aufzufangen. Mit Eigengewächsen wie Lisa Baum, Marlene Deyß, Emilia Hirche und Svea Stoldt, um ein paar Beispiele zu nennen, haben wir einige extrem junge Spielerinnen, die mittlerweile einige Zweitligaspiele absolviert haben – das ist nicht selbstverständlich. Es macht unfassbar viel Spaß, die Entwicklung des Teams zu beobachten. Dazu haben wir unseren Kader mit Merle Kirschstein, die wir kürzlich verpflichtet haben, in der Spitze und in der Breite weiter verstärkt. Insgesamt wird es in der Rückrunde nun darauf ankommen, dass wir weiterhin an einem Strang ziehen und auch mit Rückschlägen gut umgehen. Wir haben momentan einen guten Lauf – den wollen wir beibehalten.