„Es gab immer eine besondere Verbindung zum HSV“

HSV-Neuzugang Almuth Schult spricht im Interview über ihre Rückkehr zum HSV, den Spagat als Mutter im Leistungssport und die Highlights ihrer bisherigen Karriere.

Almuth, es ist sehr schön, dich im HSV-Outfit zu sehen, mit dem du nach rund eineinhalb Jahren zurück in den Leistungssport kehrst. Was sind deine Beweggründe für diesen Schritt?
Ich habe nach meiner zweiten Schwangerschaft die Möglichkeit bekommen, beim VfL Wolfsburg II am Teamtraining teilzunehmen, worüber ich sehr dankbar bin. Ich habe dann schnell gemerkt, wie viel Spaß es noch macht. Dazu habe ich zuhause einen eigenen Kraftraum, sozusagen mein Homeoffice, in dem ich nach der Schwangerschaft auftrainiert habe. So kam der Wunsch auf, nicht nur zu trainieren, sondern auch wieder spielen zu wollen. Schon nach meiner ersten Schwangerschaft habe ich schnell wieder diese Freude gespürt, Fußball zu spielen. Daher bin ich sehr froh, hier zu sein, und für den HSV zwischen den Pfosten stehen zu können.

Du hast mit 16 Jahren deine ersten Bundesliga-Spiele im Trikot der Rothosen absolviert. Was bedeutet es dir, nun zurückzukehren?
Hamburg war für mich schon immer eine besondere Stadt und ich durfte beim HSV meine ersten Schritte im Erwachsenen-Fußball machen, von daher gab es schon immer eine besondere Verbindung. Es ist besonders, wenn ich daran zurückdenke, wie ich als Jugendliche über das Trainingsgelände gelaufen und jetzt wieder hier bin. Der HSV ist eine sehr gute Adresse und ich habe deutlich wahrgenommen, was sich in den vergangenen Jahren alles im Verein entwickelt hat. Hier ist vieles im Aufwind. Ich spüre, welche ernsthaften Ambitionen der HSV hat und freue mich, wieder ein Teil davon zu sein.

Im Laufe deiner Karriere hast du dich zu einer der besten Torhüterinnen der Welt entwickelt und vor allem beim VfL Wolfsburg zahlreiche nationale und internationale Titel gesammelt. Wie hast du den HSV in der Zwischenzeit verfolgt?
Ich habe immer geschaut, wo die HSV-Frauen stehen. Zu schwierigen Zeiten für den Frauenbereich, die zum Glück lange her sind, aber auch zu den sehr positiven wie den Relegationsspielen der vergangenen Saison. Diese Partien waren nicht die einzigen prominenten Ereignisse in den Medien in der letzten Zeit - ich habe mich auch sehr über das Pokalspiel gegen St. Pauli vor einer Kulisse von 20.000 Zuschauenden gefreut.

Dein Wechsel wird durch eine FIFA-Regelung ermöglicht, die es Spielerinnen nach ihrem Mutterschutz erlaubt, auch außerhalb der festgeschriebenen Transferperioden einen Vereinswechsel vorzunehmen, um ihnen den Wiedereinstieg in den Leistungssport zu erleichtern. Du hast mittlerweile drei Kinder - wie meisterst du den Spagat als Mutter und Leistungssportlerin?
Zunächst hoffe ich, dass diese Frage eines Tages nicht mehr gestellt wird und Frauen im Profisport die gleichen Möglichkeiten haben wie die Männer. Männliche Profisportler fragt man schließlich auch nicht, wie sie Familie und Job unter einen Hut bekommen. Mein Mann ist auch voll berufstätig, von daher steckt da viel Organisation hinter und eine große, hilfsbereite Familie. Ich habe zudem viele Freunde, auch in Hamburg, bei denen ich mit den Kindern immer willkommen bin. Ohne diese Unterstützung wäre es nicht möglich, weil der Profisport nun mal kein klassischer Nine-to-five-Job ist und Kindergartenbetreuungszeiten nicht alles abdecken können.

Du bist nach wie vor eine der wenigen Mütter im Profifußball. Warum ist das aus deiner Sicht so?
Zeitlich befristete Verträge spielen dabei natürlich eine Rolle. Wenn man nur noch ein oder zwei Jahre Vertrag hat, hat man keine Sicherheit im Rücken und weiß nicht, ob man nach einer Schwangerschaft direkt wieder in den Beruf starten kann. Dazu vergeht bis zur Rückkehr auf den Platz natürlich mindestens ein Jahr, was einen Einschnitt in der Karriere bedeuten kann: Die Spielerin verliert ihren Platz und steht nicht mehr so im Fokus, dazu fehlt die Spielpraxis. Es ist auch etwas anderes, wenn man als Leistungssportlerin nicht nur für sich, sondern auch für seine Kinder Verantwortung trägt und deutlich mehr organisieren muss.

Wie nimmst du das in anderen Sportarten wahr?
Wenn man nicht nur auf den Fußball schaut, gibt es in Deutschland immer mehr Leistungssportlerinnen, die Mutter werden. Das freut mich ungemein. Ich hoffe, dass wir den Sportlerinnen Ängste nehmen, Unterstützung bieten und einen Schritt in die Zukunft gehen können, damit das Muttersein im Leistungssport Normalität wird. Man kann ein Kind doch kaum besser für den Sport begeistern, als wenn der Vater oder die Mutter selbst aktiv ist. Es gibt vor allem im Männerbereich viele Beispiele, bei denen die Söhne und auch Töchter von Profifußballern ebenfalls diesen Weg eingeschlagen haben – warum sollte das bei Frauen anders sein?

Auf deiner sportlichen Reise hast du einiges erlebt. Was waren die Highlights deiner bisherigen Karriere?
Es gibt unglaublich viele Höhepunkte. Natürlich steht die Olympische Goldmedaille über allem. Ich habe aber bei jedem Verein sehr viele emotionale  Momente erlebt – auch mit dem HSV, als wir vor 16 Jahren den Klassenerhalt in der Bundesliga geschafft haben. Ich habe so viele tolle Menschen und Kulturen kennengelernt und Freundschaften fürs Leben geschlossen. Das ist das wahre Highlight.

Mit all der Erfahrung, die du gesammelt hast: Welche persönlichen Stärken möchtest du bei den HSV-Frauen einbringen?
Ich hoffe, dass ich dem Team mit meiner Erfahrung noch mehr Sicherheit geben kann, aber natürlich möchte ich in erster Linie mit sportlicher Leistung überzeugen und helfen. Ich kenne durch meine bisherigen Stationen schon ein paar Spielerinnen wie Nina Brüggemann, Jobina Lahr, Jaqueline Dönges und Jolina Zamorano. Der bisherige Saisonverlauf zeigt, was in den Mädels steckt. Der Verein, die Spielerinnen und auch ich haben in dieser Spielzeit noch etwas vor – insofern freue ich mich darauf, das gesamte Team kennenzulernen und dass es endlich los geht.